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praxisleitfaden

 März 2017 - “Demografscher Wandel“ – dieses Schlagwort, welches die zunehmende Umkehrung der Bevölkerungspyramide mit immer mehr älteren und immer weniger jüngeren Bürgerinnen und Bürger bezeichnet, wird in der politischen Diskussion bereits seit langem beleuchtet. Vor allem auf das Sozial­ und Rentenversicherungssystem hat der demografische Wandel erhebliche Auswirkungen, müssen doch immer weniger Erwerbstätige die Renten einer steigenden Zahl von nicht mehr Erwerbstätiger finanzieren. Dass dieser Rückgang an Erwerbstätigen jedoch auch dramatische Folgen für die Wirtschaft hat, rückte unter dem Stichwort Fachkräftemangel erst in jüngster Zeit in den Fokus. Schreitet der demografische Wandel unverändert voran, droht der prosperierenden Wirtschaft ein Mangel an Arbeitskräften, insbesondere von gut qualifizierten Fachkräften. Die Bundesregierung reagierte aus diese Entwicklung mit der Förderung verschiedener Programme, welche die (Re­)Aktivierung der sogenannten „Stillen Reserve“ (iAB 2005) zum Ziel hatte. Damit sind zum einen Menschen gemeint, die aus unterschiedlichen Gründen nicht erwerbstätig sind, obwohl sie erwerbstätig sein könnten. Dazu zählen neben Müttern, die nach einer Berufsauszeit wieder arbeiten könnten, auch zunehmend Menschen mit Migrationshintergrund, die neu in das Land kommen und mit der Entwicklung der letzten beiden Jahre an Bedeutung in der Diskussion gewonnen haben. Letztlich rücken jedoch auch ältere Menschen in den Fokus, die zwar schon in den Ruhestand gehen, andererseits jedoch auch noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnten oder sogar wollen. Aus der Perspektive dieser Gruppen bedeutet diese Entwicklung aber auch, dass Menschen, die nicht mehr, noch nicht oder schon „zu lange“ erwerbstätig sind und waren, auf einen fachkräftehungrigen Arbeitsmarkt treten, welcher zudem durch sich rasch wandelnde Anforderungen, einen technischen sowie organisatorischen Fortschritt und nicht zuletzt auch durch Innovationen in Produktion und Logistik geprägt ist. Daraus leitet sich ein entsprechend hoher Qualifikationsbedarf ab, bei dem die Lernenden jedoch anders als bei bereits Erwerbstätigen (deren Ausbildung noch nicht so lange zurückliegt oder die sich beruflich laufend weiter qualifiziert haben) ganz bestimmte Bedürfnisse für entsprechende Lernprozesse mitbringen.

Zielstellung

Die Erforschung dieser spezifischen Bedürfnisse war ein Teil der Aufgaben des vom BMBF geförderten Projekts ABEKO ­ „Assistenzsystem zur demografiesensiblen betriebsspezifischen Kompetenzmanagement für Logistik­ und Produktionssysteme der Zukunft“ (2014­2017). Als Kontext diente die Produktions- und Logistikbranche mit ihrem derzeitigen Trend, welcher unter dem Begriff „Industrie 4.0” zusammen gefasst wird. In diesem Wirtschaftsbereich vollzieht sich ein besonders tiefgreifender Wandel: Die Vernetzung und Automatisierung von Produktions- und Transportmitteln und damit verbundenen Prozessen lässt innerhalb kürzester Zeit bisherige Kompetenzprofile veralten und neue entstehen. Die zunehmende Vernetzung und die Arbeit mit mobilen IT­Geräten ist dabei ein Beispiel von vielen, in dessen Kontext es gerade älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufig an Erfahrungen und Kompetenzen fehlt. Allerdings zeigen Studien, dass gerade Beschäftigte über 50 eher selten in Angeboten betrieblicher Weiterbildung anzutreffen sind. Die Gruppe der 50­64­jährigen bildet den mit Abstand kleinsten Anteil an Teilnehmenden in der beruflichen Weiterbildung. In der Folge sind die meisten Bildungsangebote auf die Anforderungen jüngerer Lernender zugeschnitten, sodass hier ein besonderer Bedarf an einer neuen Zielgruppenorientierung und an didaktischen Konzepten für ältere Lernende besteht. Menschen mit Migrationshintergrund wiederum gewinnen gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlings­ und Migrationsbewegungen eine besondere Bedeutung. Auch hier gilt es, das große Potenzial an Fachkräften für den Arbeitsmarkt zu heben und dafür optimal angepasste Qualifikationswege zu entwickeln und entsprechend anzubieten.

Methodologie

Im ABEKO-Projekt wurden daher exemplarisch ältere Lernende sowie Lernende mit Migrationshintergrund in den Mittelpunkt der Untersuchungen gestellt. Ihre spezifischen didaktischen Anforderungen wurden erhoben und entsprechende Lehr­/ Lernszenarien für die berufliche Weiterbildung entwickelt. Im Zentrum dieser Arbeiten standen zwei Partizipationsworkshops, einer für jede Zielgruppe. An diesen Workshops haben Expertinnen und Experten aus dem Bereich der beruflichen Weiterbildung gemeinsam mit älteren Lernenden bzw. Lernenden mit Migrationshintergrund diskutiert, worin die jeweiligen didaktischen Herausforderungen liegen und wie sie am besten bewältigt werden können. Flankiert wurden die Workshops von Literaturstudien, deren Ergebnisse ebenfalls von allen Teilnehmenden diskutiert wurden.

Zielgruppe

Alle dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden festgehalten, inhaltlich aufgearbeitet und jetzt mit dieser Broschüre veröffentlicht. Sie richtet sich an Weiterbildende in der beruflichen Weiterbildung, also an jene Dozentinnen und Dozenten, die zunehmend ältere Lernende oder Lernende mit Migrationshintergrund ansprechen möchten oder bereits in ihren Kursen als Teilnehmende haben und ihr didaktischen Konzepte entsprechend hinterfragen und neu ausrichten möchten.

Einblicke in die Ergebnisse

In Teilen weichen die Empfehlungen, die auf diese weise zusammengetragen wurden, nicht von dem ab, was Lehrende schon jetzt allgemein unter den Anforderungen guter Lehre in der beruflichen Weiterbildung verstehen. Mit einem ausgewogenen Medien­ und Methoden-Mix seien an dieser Stelle nur zwei Beispiele hierfür genannt, welche aus sich der pädagogischen und didaktischen Forschung für alle Lernenden empfehlenswert sind. Auch darüber wurde in den Partizipationsworkshops und im ABEKO-Team ausführlich diskutiert. Wir haben diese Punkte hier dennoch aufgeführt, weil wir der Ansicht sind, dass sie für die angesprochenen Zielgruppen besonders wichtig sind und deswegen der Vollständigkeit halber aufgeführt werden sollten. In anderen Teilen war nicht immer klar, ob sich die Empfehlungen ausschließlich an die im Projekt betrachteten Zielgruppen richten. So war ein anderes Ergebnis aus dem Partizipationsworkshops für ältere Lernende, dass Seminarräume der beruflichen Weiterbildung genauso ergonomisch ausgestattet werden sollten wie auch die Büroarbeitsplätze, also mit ergonomisch gestalteten Tischen und Stühlen. In der Praxis wird z.B. die Bestuhlung von Seminarräumen häufig eher nach optischen denn nach ergonomischen Gesichtspunkten ausgewählt, was bei älteren Lernenden schnell zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Die jüngeren und vermeintlich belastbareren Teilnehmenden des Workshops wiesen jedoch darauf hin, dass auch für sie im Sinne der Prävention eine ergonomisch gestaltete Bestuhlung sinnvoll sei. An dieser Stelle zeigt sich, dass die Forschung zu demografiesensibler Gestaltung von Weiterbildungskontexten für alle Beteiligten einen Gewinn darstellen kann. In anderen Teilen der Empfehlungen wiederum ist der Nutzen für die an­ gesprochenen Zielgruppen eindeutig zu erkennen: So zum Beispiel in der Nutzung einer einfachen Sprache oder grafischer Unterstützung von Inhalten für Teilnehmende dessen Muttersprache nicht der Kurssprache entspricht.

Ausblick

Im Ergebnis entstand auf diese Weise eine praxis-orientierte Handreichung, die sowohl den breiten Kontext als auch spezielle Aspekte in Blick nimmt und Lehrenden für die Weiterbildung von älteren Beschäftigen und Menschen mit Migrationshintergrund in die Lage versetzt, ihre didaktisch-methodischen Ansätze neu zu reflektieren und damit optimal auf ihre Lernenden eingehen zu können. Es zeigte sich in den Diskussionen im Rahmen der Workshops auch, dass das Thema der demografiesensiblen Gestaltung von Aus- und Weiterbildungsangeboten noch nicht mit dem Nachdruck von allen Beteiligten gehandhabt wird, wie es die öffentliche Diskussion in Politik und Medien vermuten lässt. Hier liegen auf der einen Seite noch große Potenziale an zukünftigen Fachkräften. Auf der anderen Seite ist auch der Forschungsbedarf in Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Bildungssektor weiterhin groß, sodass auf dem Weg zu einer demografiesensiblen und partizipativen Gestaltung von Aus- und Weiterbildung noch viel Arbeit vor uns liegt.

"Arbeit - Lernen - Kompetenzen entwickeln, Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt"

 

sponsoren HP

 

 

abeko logo

Assistenzsystem zum demografiesensiblen betriebsspezifischen Kompetenzmanagement für Produktions- und Logistiksysteme der Zukunft

Projektblatt (PDF, 1MB)

Die Förderung:

Das Verbundprojekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms

"Arbeiten - Lernen - Kompetenzen entwickeln. Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt. Bekanntmachung: Betriebliches Kompetenzmanagement im demografischen Wandel"

unter dem Förderkennzeichen  (FKZ) 02L12A100 gefördert. 

Bekanntmachung